Freitag, 1. Mai 2009

Vom "Hände hoch!"

"Hände hoch!"

Wer einem Menschen das Heben der Hände befiehlt, hat ihn bereits in seiner Gewalt. Meist ist der Gewaltausübende im Besitz einer Waffe, mit der er seinen Gegenüber zwingt, die Hände zu heben. Es - das Heben der Hände - dient also dazu, sich der Untätigkeit oder des Brechens einer vermeintlichen Gegengewalt zu versichern. So kann geschlussfolgert werden: Der Mächtigere bekennt mit dieser Aufforderung andererseits einen Rest an Mangel von Macht, die - so glaubt der Auffordernde - der andere besitzt.
Durch das "Hände hoch!" geht also dieser Machtrest an den Sieger über und macht demnach das Opfer im wahrsten Sinne des Wortes machtlos.

Ganz und gar ist die Gebärde des Händehebens eine mit anderen Gebärden nicht vergleichbare. Das Beugen des Knies und des Nackens, die dieser am nächsten kommen, drücken doch anderes aus. Das Heben der Hände hat nicht die Unterwürfigkeit der anderen Gesten. Der Unterlegene reckt, streckt den Körper. Es ist das Sich-Ergeben gegenüber dem Unterwerfer, dem kein Kampf oder dessen Vorbereitung oder Drohung vorausgegangen sein muss; es ist eine besondere Art der Entblößung. Wer sich in Gefahr befindlich zusammenkrümmt, will seine verletzlichere Körperseite schützen, ist Verteidigung. Wer die Hände hebt, entledigt sich der letzten Möglichkeit, sich zu schützen.

Die Gebärde ist, obwohl millionenfach ausgeführt, einzigartig. Es ist nicht die bittende oder fordernde Geste der vorgereckten Hände eines Kindes zum Beispiel. Sie ist grundverschieden von der Geste des Hebens einer Hand, dass das Aufmerksammachen auf sich beinhaltet und geradezu entgegensetzt dem Heben der Faust.

Die Hände im Nacken verschränken lassen, ist eine andere Form des Händehebens. Sie wird angewendet, wenn der Hebende die Hände nicht hoch genug hebt oder anders bekundet, einen Rest von Widerstand entgegensetzen zu wollen. Schließlich zeigt es doch nichts anderes als die Unsicherheit des Machtbesitzenden oder gar seine Angst vor seinem Gegner.

Überhaupt ist dieses "Hände hoch!" eine Geste, die es im Tierreich nicht gibt, typisch menschlich also, weil die Hände sowohl für die Arbeit da sind, als auch unentbehrlich für die Zerstörung.

Ach, der Mensch, was treibt ihn nur, so viel Kraft aufzuwenden, andere unter sich zu pressen, ihnen seinen Willen aufzuzwingen? Und wie grausam ist es, von Menschen gezwungen zu werden, anderer Menschen Willen zu brechen, nicht für sich, sondern für jene, die zuvor unseren Willen brachen.

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