Die Redakteure der Inselrundschau haben schwer zu kämpfen, ihr Blatt zu füllen. Doch niemand kam bisher auf die Idee, im Sommer junge Dichter anzulocken, indem sie mit interessierten Kurverwaltungen (Oje! Verwaltungen, ob das etwas werden kann?) zusammen solche Wettbewerbe vorbereitet und in der Rundschau publik macht.
Das würde vielleicht in der Nebensaison besser funktionieren, wenn Greifswalds dichterische Studenten auf solch einen Wettstreit aufmerksam gemacht werden könnten.
Dass solche Veranstaltungen, von Jungpoeten organisiert, in Großstädten seit Jahren Zulauf haben, kann ich belegen. Ob auf der Insel Ähnliches möglich ist, müsste einfach probiert werden. Die Inselrundschau könnte ohne viel Aufwand etwas für junge Poeten tun und darüber berichten und siehe, schon hätte sie ein paar junge Leser mehr und hätte für sich auch etwas getan.
Hier ein Beispiel, wie solch ein Wettbewerb abläuft:
Salon der Dichter
Literaturszene im Kulturzentrum Z-Bau
Die Augen müssen sich erst an das Schummerlicht im Roten Salon des Z-Baus gewöhnen. Die Frankenstraße ist am Freitagabend heller. Auf dem Podium, beleuchtet von einer Schreibtischlampe, ordnen vier junge Männer Papierblätter. Es sind die Poeten, die heute Abend aus ihren Arbeiten lesen werden.
Vor ihnen warten 30 Zuhörer. Die Tische vor den Poeten und die beiden Sofas an den Seiten sind besetzt. An den hohen runden Tischen sind Barhocker frei, auch an der Bar, die dem Poeten-Podium gegenüber liegt. Hier ist es heller vom Licht der Halogenlampen an der rot-schwarz gestrichenen Decke. An den Seitenwänden beschimmern diagonal versetzte Lampen die roten Salonwände.
Vor dem Podium, im Gegenlicht kaum zu erkennen, überbrückt Alexander Nym vom Veranstalter Sprachkrach e. V. eine Zwangspause, entstanden durch widerborstige Technik: „Ich werd’ ’mal ein bisschen quatschen, bis alles angeschlossen ist.“ Ein Zuschauer möchte ihm helfen, empfiehlt, die Poeten könnten sich vorstellen. Doch vom Podium kommt prompt die Ablehnung: „Wer etwas über uns wissen will, kann nachher fragen. Ist wohl besser so.“ Schließlich rät Nym, die Handys abzuschalten, „Piepser, Herzschrittmacher und ähnliche empfindliche Geräte auch“.
Ein Gast mit Brille und wellig wallendem Haar nutzt den Schein der kleinen Windlichter, die auf jedem Tisch stehen. Er zeichnet seine Phantasie auf ein Blatt Papier, wie die vier Poeten es mit jenen Worten taten, die sie jetzt vortragen.
Was aus den Lautsprechern in den Salon schallt, ist fein geschliffene, manchmal derb behauene Poesie, hat nichts mit Herz-Schmerz zu tun, „ich habe alle Liebesgedichte rausgeschmissen“, ist Alltag und wilde Phantasie, will „Räume schaffen, in denen Träume fliegen“. Die Zuhörer erfahren von Herrn Albert, der am Baum hängt, ohne sein Holzbein, das ihn seit Stalingrad trug. Sie hören, warum Rüdiger jetzt in einer Sanduhr die Zeit einteilt, oder was es mit „Blix und Donner“ auf sich hat. Dafür gibt es Applaus von inzwischen 50 Gästen.
Ein Schäferhund-Mischling springt unter einem der Tische auf, auch bei jedem weiteren Beifall, bis sein Herrchen den nicht klatschfesten Hund nach draußen bringt. Im Nachbarraum beginnt eine Bluesband zu spielen, ist durch die graue Blechtür zu hören. Zwei junge Frauen an der Bar küssen sich selbstvergessen und ausdauernd.
In der Pause wechselt eine Frau in Anorak, kurzem Rock, karierten Kniestrümpfen und salonfarbenen Schuhen vom schwarz verhangenen Eingang an einen anderen Tisch. Der Poet Oliver Barfknecht erzählt, dass alle vier Lesenden an der Universität Nürnberg-Erlangen studieren. In der Theatergruppe lernten sie sich kennen und wunderten sich: „Man sollte doch glauben, dass es am Germanistik-Lehrstuhl Leute gibt, die selber Texte produzieren und vorstellen.“ Mit ihrem Quartett gibt es sie nun, neben Barfknecht Volker Berdich und Sebastian Reichert. Später kam Christian Preunkert dazu, der neben Texten die Musik für die Video-Musik-Lesung liefert.
Höhepunkt des Abends wird das Multimedia-Projekt über einen diebischen Nachbarn. Barfknecht lässt seine Zunge im Nachbarn spionieren, um seine gestohlenen Erdbeeren aufzuspüren. Wie bestellt schreit nach dem „Gedicht vom Scheißen“ durch die Blechtür eine Blues-Mundharmonika auf.
Als die Poeten ihre Gäste in die hellere Nacht der Frankenstraße entlassen, klingt der Abend nach: „Stellt euch vor, die Welt wäre aus Gummi und unsere Schuhe aus Stein.“ Einige Zuhörer werden das tun und sich auf die nächsten ersten Freitage im Monat freuen, wenn Sprachkrach wieder zum subkulturellen Sprachvergnügen einlädt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen