Sonntag, 26. Juli 2009

Rätsel über Regierende

Als Thomas Schill heute mit mir sprach, nannte er mich gegen seine Gewohnheit Gülle-Lothar. ("Sturmfeld"-Leser wissen, wie ich zu dem Spitznamen kam.) Mir riss schließlich der Geduldsfaden und ich fragte ihn: "Warum sprichst du mich heute ständig mit meinem Spitznamen an?"
"Also gut, meinetwegen nur Lothar. Ich kam auf die Gülle, weil ich etwas über Regierende las."
"Liest du doch jeden Tag, deren blöde Parolen."
Haben Sies gemerkt? Wir sind per du; ist vor einer Woche passiert. Wir haben mächtig einen getrunken und ich nutze den Sonntag, um mich davon zu erholen.
"Die sind gar nicht so blöd. Aber sie versuchen, uns zu verblöden."
Ich wurde ungeduldig. "Was ist das denn nun mit den Regierenden?"
Schill kratzte sich hinter dem rechten Ohr, schaute mich seitlich und von unten an, als wäre er ein Händler, der mich gerade übers Ohr hauen will und sagte: "Ich lese es dir vor, und du darfst raten oder wissen, wer es aufschrieb."
"Und wenn ich es nicht herausfinde?"
"Geht die Welt nicht unter. Dann habe ich bloß bewiesen, dass ich Sachen weiß, die du nicht weißt."
"Und was heißt das?"
"Nichts weiter, als dass wir uns ergänzen."
"Dann wäre es besser für unseren Zusammenhalt, ich wüsste es nicht?"
"Das kannst du halten wie du willst."

Schill zog einen Zettel aus der Brusttasche seines Hemdes, entfaltete ihn und las: "Ich kenne keine Regierung, die nicht darauf bedacht wäre, den Regierten zu erklären, wie gut sie es hätten und wie schwierig das Geschäft des Regierens wäre. Niemand hat die Regierenden in den Beruf hineingedrängt, aber alle möchten nachher für Leute gelten, die sich aufopferten, möchten, dass ihr Beruf als der wichtigste der Welt gelte."

"Thomas, ich habe keine Ahnung."
"Lother, das macht nichts. Kleine Hilfestellung, das Zitat ist 29 Jahre alt."
"Gilt aber immer noch."
"Wird auch immer gelten, jedenfalls so lange es Regierende gibt. Also, weißt du wer es schrieb?"

Ich hatte keine Lust zu raten; ich fand und finde das Raten albern. Schill gab mir eine Woche Bedenkzeit. Doch die Woche will ich mit Anderem ausfüllen, habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
Deshalb eine kleiner Aufruf: Wer ohne lange nachzulesen weiß, wers schrieb, kann es mir im Kommentar mitteilen, auch wenn Schill dann leise zweifeln könnte, dass wir uns immer und überall ergänzen und deshalb unzertrennlich sein müssten.

Sonntag, 12. Juli 2009

Steilküsten-Abfahrtslauf

Schill hat als Vorruheständler nicht nur Zeit, auf der Promenade Urlaubern zuzuhören. Er hat auch Zeit, sich auszudenken, wie er zu Geld kommen könnte.

Vor ein paar Tagen klingelte er Sturm.
"Merten, ich hab eine Idee, wie ich mich selbständig machen könnte und ich bekomme keinen roten Heller Kredit dafür von der Spaßkasse."
"Nagut, ich höre es mir an."
Schill war schnell die Treppen hinaufgestiegen. Er atmete fauchend vor Anstrengung und weil er so aufgeregt war wegen seines abgelehnten Einfalls.
"Wie wärs mit ner Cola?"
"Cola trink ich nur mit Wodka", antwortete er.
"Wodka? Aber nicht nachmittags um drei."
Ich brachte ihm ein Glas Leitungswasser. Doch er war auch damit nicht zufrieden:
"Kohlensäure gibt es nachmittags um drei auch nicht? Ab wann darf denn Wasser bei Ihnen sprudeln?"
"Ich habe sonst nichts im Haus. Also, was ist Ihnen eingefallen?"

"Merten, das ist eine Bombenidee. Haben Sie Lust zum Skilaufen?"
"Was? Jetzt im Juli?"
"Klar. Warum nicht? Hauptsache es ist Vollmond. Heute ist Vollmond."
"So richtig mit Skiern?"
"Ja, die Steilküste runter. Wenn die in Oman die Dünen runterrutschen, können wir das hier erst recht. Aufregender ist es sowieso, weil es schärfer bergab geht."

Mir schien, ich müsste verbindlicher werden.
"Thomas Schill, das kann nicht funktionieren."
"Kann es doch. Was spricht dagegen?"
"Alle Steilküsten sind geschützt. Die Hänge dürfen nicht betreten werden. Mit Skiern wären die Hänge ruckzuck ramponiert. Und wer sollten denn wohl die Kunden werden, die dort runterbretterten. Warum sollten es überhaupt Kunden werden, wenn sie schon so verrückt wären, im Sommer mit ihren eignenen Skiern die Steilküsten runterfahren könnten?"

Schill reckte seinen gewaltigen Brustkorb und sagte beim Ausatmen: "Hab ich alles bedacht." Und dann: "Zuerst müsste ich ein Stück Küste kaufen und präparieren, sozusagen eine Piste anlegen. Genau dafür brauchte ich das meiste Geld."
"Wer soll Ihnen denn ein Stück Steilküste verkaufen? Ist das nicht alles Landeseigentum?"
"Das ist es ja gerade. Ich weiß es nicht. Bin noch nicht dazu gekommen, das herauszufinden."
"Gesetzt den Fall, das Land verkaufte Ihnen etwas Steilküste. Warum sollten die Landeslandverwalter es nicht tun, wenn die Regierung unbedingt die Gegend mit einem Kohlekraftwerk vergiften will wegen ein paar Arbeitsplätzen? Was wäre dagegen schon ein Stück Steilküste. Am besten die, unter der die Bernsteinlagerstätte liegt. Da würden die Skiläufer gleich den Abbaus betreiben und Sie hätten ein Zusatzeinkommen. Wenn die Ölbohrer den ltzten Tropfen aus dem Untergrund zutschen wollen, können Sie Skiläufer nebenbei Bernstein abbauen lassen, ohne dass die es merken. Zum Feierabend gehen Sie dann sieben und sammeln."
Schill triumphierte: "Siehste?"
"Und wer soll da herunterfahren?"
Schill blies die Wangen auf, als wollte er Trompete spielen und pustete mir seinen Atem entgegen. "Ist doch sonnenklar, wer meine Kunden werden, diese nordischen Geher mit ihren Skistöcken, die immer so aussehen, als würden sie verzweifelt und in höchster Eile ihre Skier suchen. Und die habe ich, natürlich nicht ihre, aber welche zum Verleihen. Mein Argument: Skilaufen ohne Skier, du meine Güte! Sie bringen die Stöcke mit, ich habe die Skier und ab gehts in die Tiefe."

Ich kratzte abwechselnd meine Ohren. "Gesetzt den Fall, das alles könnte klappen - wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass die nordischen Skiläufer ohne Skier ausgerechnet Ihre Bretter anschnallen würden, um 30 oder 40 Meter tief die Steilküste hinabzurutschen - also gesetzt den Fall, sie oder wer auch immer täten es doch, warum bei Vollmond?"

Schill rollte mit den Augen, Verzweiflung vortäuschend. "Das ist natürlich nur ein Verkaufstrick. Nachts, Vollmond, Fackeln zu beiden Seiten der Piste, Lagerfeuer am Strand. Dafür kann ich einen Extrapreis verlangen."
Dann sackte er plötzlich etwas in sich zusammen und sagte: "Tja, wenn ich eine Wellnes-Oase eröffnen würde oder wie die Zimmer heißen, in denen Leute sich mit ich weiß nicht was einschmieren lassen, bekäme ich bestimmt einen Kredit. Aber ich kann nicht andere Leute einschmieren, hört sich auch so nach anschmieren an, und ich will auch nicht anbieten, was so viele andere Leuten schon anbieten."
Ich empfahl ihm: "Dann bleiben Sie doch einfach Ruheständler. Helfen Sie Ihrer Frau beim Abwasch und beobachten Sie Urlauber auf der Promenade und die Leute mit den Skistöcken, die ihre Skier suchen. Was Sie da erleben, erzählen Sie mir. Wenn Sie das tun, verspreche ich Ihnen, Sie nach den Kaisertagen zur Dankeschön-Veranstaltung für die Organisatoren mitzunehmen. Essen und Trinken frei und dazu noch Hein mit sien Schifferklavier."
"Ach, Sie sind Organisator?"
"Nein, ich mache nur jede Menge Fotos und etwas Text dazu für die Kurverwaltung. Was die damit machen, weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht. Ist wohl fürs Internet und Kataloge. Ein bisschen muss auch ich für die Gemeinde machen, wenn ich schon hier wohne."
"Ich könnte mich beherrschen."
"Ist in Ordnung, Schill. Jeder nach seiner Fasson. Sehen wir uns in einer Woche?"
"Abgemacht."
"Aber ohne Skier."
"Das muss ich mir noch überlegen."

Ich brauchte nicht zu überlegen. Skilaufen im Sommer, die Steilküste hinab, ob im Sonnenschein oder im Mondlicht. Niemals würde ich mich auf Skier stellen.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Kolonnisten

Es können nicht alle Autofahrer Autobesitzer gewesen sein, die heute vormittag auf der Bundesstraße durch Heringsdorf fuhren. Auf der Straße zockelten so viele Autos auf beiden Fahrbahnen, dass ich davon ausgehe, etliche Leute hatten sich Autos geborgt, um mitzumachen, die Straße zu füllen, und nicht nur das, sie fuhren, um die Autos auch zu nutzen, mehrfach zwischen Bansin und Ahlbeck hin und her, wohl auch gleich nach Swinemünde zum Tanken.
So voll war die Straße!

In den nächsten Jahren werden weitere Übernachtungsmöglichkeiten gebaut, so das 30 Meter hohe Hotel, das schon heute den Tarnnamen "Teil des Ortszentrums Heringsdorf" trägt, aber den Namen "Koloss von Heringsdorf" verdient hat.
Ich hoffe, dann werden die Leute mit den geborgten Autos, diese Kolonnisten, aussortiert, damit die Autos auf der Ortsdurchfahrt nicht übereinander gestapelt werden müssen.

 
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