Gestern war Thomas Schill wieder da, sich eine Antwort abzuholen. Er musste sich zwar nicht bücken, um in die Wohnung zu gelangen, doch füllte er fast die Türöffnung aus.
Ich habe ihm dringend abgeraten, so etwas wie ein Internet-Bürgerzeitung zu beginnen. Sie wird kaum gelesen werden und macht vor allem unglaublich viel Arbeit - und das für nichts und wieder nichts.
"Was dann?", wollte er wissen.
"Weiß ich auch nicht. Mehr Leser hätte eine Klatschseite, doch dann hätten wir auch mehr mit Anwälten und vor Gericht zu tun. Warum wollen Sie überhaupt etwas schreiben?"
Er schaute mich herablassend an und antwortete: "Warum wohl? Weil ich eine Menge weiß."
"Zum Beispiel?"
"Wie Urlauber rumlaufen."
"Wen interessiert das?"
Schill lachte leise. "Mich. Setzen Sie sich mal eine halbe Stunde auf eine der Promenadenbänke und schauen Sie dem Treiben zu."
"Und das ist ein Grund? Schreiben Sie es doch für sich auf und behelligen Sie nicht die Menge, wobei sich fragt, wie klein die Menge sein wird."
Unvermittelt, als hätte er die Bettelei satt, fragte er mich: "Ist Journalist ein Traumberuf?"
"Nee, für mich nicht. Sonst würde ich es noch heute und weiterhin machen. Statt Nerven zerfetzenden Themen in aller Welt nachzujagen, schaffte ich es Lokalredakteur in die Wärmestube des Arbeitslosenverbandes. Das ist zwar fast, wie auf die Seychellen zu reisen, aber nur fast."
"Das kann doch interessant sein, wenn man die Augen aufmacht."
"Dann berichten Sie doch von dort im Winter. Auf der Insel gibt es doch gar keine Wärmestube."
Schill nickte. "Werde ich mir merken. Gute Idee, das mit der Wärmestube. Dann fahre ich eben nach Wolgast."
"Ihnen ist kein Weg zu weit für eine Geschichte, die niemanden interessiert?"
Schill neigte den Kopf ein wenig zur Seite und zugleich nach vorn. "Mmhhmm, bin ich niemand?"
Ich war ein wenig ungehalten. "So kommen wir nicht voran. Erzählen Sie mal, wie Urlauber rumlaufen.
Schill schaute zur Zimmerdecke, schlug mit der rechten Faust in seine linke Hand und sagte: "Ich habe eine", holte tief Luft, atmete kräftig aus und fing endlich an:
"Auf der Promenade schlenderte eine Frau in braunen Fellstiefeln, ein mattes Hellbraun, das der Stiefel, sehr vornehm, passend zum Fell ihres Hundes. Dennoch beging sie einen Stilbruch, denn das Halsband und die Leine waren aus glattem, schwarzem Leder.
Ein Mann in silberfarbener Bundjacke und schwarzer Hose ging auf sie zu. Offensichtlich waren sie einander schön öfter begegnet.
Er zu Ihr: Und wie gehts?
Sie: Gut.
Er: Und sonst so?
Sie: Sonst gehts gut.
Er: Und überhaupt?
Sie: Wie, überhaupt?
Er: Na, so generell.
Sie: Achso, ja, generell gut.
Er: Und wollen Sie nicht wissen, wie es mir so im Detail geht?
Sie: Bitte?
Er: Na, im Speziellen.
Sie: Oja, Wie gehts im Detail?
Er: Meinen Details geht es sehr unterschiedlich.
Sie: Welchen Details geht es denn besonders gut?
Er: Meinen Zähnen, besonders meinen Schneidezähnen. Keine Plombe, keine Karies. Vielleicht haben sie im Urlaub etwas zu viel Farbe abbekommen; war ja tolles Wetter. Aber sonst bestens."
Schill grinste mich an und fragte: "Können Sie sich vorstellen, dass was wurde aus den Beiden?"
"Generell oder im Detail?"
"Na, überhaupt."
"Ich glaube, im Detail mag es was geworden sein, weil beide unter Langeweile litten, generell wohl überhaupt nicht.
Aber nun mal im Ernst, wer soll denn so etwas gut finden und deshalb lesen wollen?"
Er zog die blassblonden Augenbrauen zugleich mit den Schultern hoch. "Meinen Sie nicht?"
"Ich werde meine Blogleser fragen", was ich hiermit getan habe.
Ich habe ihm dringend abgeraten, so etwas wie ein Internet-Bürgerzeitung zu beginnen. Sie wird kaum gelesen werden und macht vor allem unglaublich viel Arbeit - und das für nichts und wieder nichts.
"Was dann?", wollte er wissen.
"Weiß ich auch nicht. Mehr Leser hätte eine Klatschseite, doch dann hätten wir auch mehr mit Anwälten und vor Gericht zu tun. Warum wollen Sie überhaupt etwas schreiben?"
Er schaute mich herablassend an und antwortete: "Warum wohl? Weil ich eine Menge weiß."
"Zum Beispiel?"
"Wie Urlauber rumlaufen."
"Wen interessiert das?"
Schill lachte leise. "Mich. Setzen Sie sich mal eine halbe Stunde auf eine der Promenadenbänke und schauen Sie dem Treiben zu."
"Und das ist ein Grund? Schreiben Sie es doch für sich auf und behelligen Sie nicht die Menge, wobei sich fragt, wie klein die Menge sein wird."
Unvermittelt, als hätte er die Bettelei satt, fragte er mich: "Ist Journalist ein Traumberuf?"
"Nee, für mich nicht. Sonst würde ich es noch heute und weiterhin machen. Statt Nerven zerfetzenden Themen in aller Welt nachzujagen, schaffte ich es Lokalredakteur in die Wärmestube des Arbeitslosenverbandes. Das ist zwar fast, wie auf die Seychellen zu reisen, aber nur fast."
"Das kann doch interessant sein, wenn man die Augen aufmacht."
"Dann berichten Sie doch von dort im Winter. Auf der Insel gibt es doch gar keine Wärmestube."
Schill nickte. "Werde ich mir merken. Gute Idee, das mit der Wärmestube. Dann fahre ich eben nach Wolgast."
"Ihnen ist kein Weg zu weit für eine Geschichte, die niemanden interessiert?"
Schill neigte den Kopf ein wenig zur Seite und zugleich nach vorn. "Mmhhmm, bin ich niemand?"
Ich war ein wenig ungehalten. "So kommen wir nicht voran. Erzählen Sie mal, wie Urlauber rumlaufen.
Schill schaute zur Zimmerdecke, schlug mit der rechten Faust in seine linke Hand und sagte: "Ich habe eine", holte tief Luft, atmete kräftig aus und fing endlich an:
"Auf der Promenade schlenderte eine Frau in braunen Fellstiefeln, ein mattes Hellbraun, das der Stiefel, sehr vornehm, passend zum Fell ihres Hundes. Dennoch beging sie einen Stilbruch, denn das Halsband und die Leine waren aus glattem, schwarzem Leder.
Ein Mann in silberfarbener Bundjacke und schwarzer Hose ging auf sie zu. Offensichtlich waren sie einander schön öfter begegnet.
Er zu Ihr: Und wie gehts?
Sie: Gut.
Er: Und sonst so?
Sie: Sonst gehts gut.
Er: Und überhaupt?
Sie: Wie, überhaupt?
Er: Na, so generell.
Sie: Achso, ja, generell gut.
Er: Und wollen Sie nicht wissen, wie es mir so im Detail geht?
Sie: Bitte?
Er: Na, im Speziellen.
Sie: Oja, Wie gehts im Detail?
Er: Meinen Details geht es sehr unterschiedlich.
Sie: Welchen Details geht es denn besonders gut?
Er: Meinen Zähnen, besonders meinen Schneidezähnen. Keine Plombe, keine Karies. Vielleicht haben sie im Urlaub etwas zu viel Farbe abbekommen; war ja tolles Wetter. Aber sonst bestens."
Schill grinste mich an und fragte: "Können Sie sich vorstellen, dass was wurde aus den Beiden?"
"Generell oder im Detail?"
"Na, überhaupt."
"Ich glaube, im Detail mag es was geworden sein, weil beide unter Langeweile litten, generell wohl überhaupt nicht.
Aber nun mal im Ernst, wer soll denn so etwas gut finden und deshalb lesen wollen?"
Er zog die blassblonden Augenbrauen zugleich mit den Schultern hoch. "Meinen Sie nicht?"
"Ich werde meine Blogleser fragen", was ich hiermit getan habe.
3 Kommentare:
Heli meint:
Die Blogleser verhalten sich ruhig. Keiner will den Anfang machen. Vielleicht war die Fragestellung nicht ganz richtig. Also, die Frage könnte ja auch so sein: „Wer von meinen Bloglesern ist dagegen, dass Herr Schill seine Alltagsgeschichten hier präsentiert?“ Vielleicht würden dann einige Personen kein Interesse bekunden, weil sie mit ihren eigenen Geschichten überaus ausgelastet sind und sich nicht ablenken lassen wollen (oder sich nicht wieder erkennen wollen). Ich denke, die übrigen Blogleser, schätzungsweise 98,77 % sind immer für Geschichten zu haben. Lassen wir einige Zeit vergehen in der wir den Schillschen Gedankengängen folgend uns ein Urteil bilden werden.
Oder ist jemand anderer Meinung?
Ob Schill oder Merten oder..., Geschichten erzählen ist für mich schon sehr lange eine gute Voraussetzung, meiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Heute mehr denn je und oft gespickt mit dabei in Schwung kommenden eigenen Gedanken. Zum Beispiel zur Abbildung der "Realität" in den Artikeln der Tageszeitungen (so in der besonders tumben OZ), in Zeitschriften, Magazinen. Die gepflegte und scheinbar wichtige Darstellung einer Parallelwelt fußt auf Desinformation, verbreitet Ängste und läßt viele Leser in Lethargie zurück.
Aber der Mensch im Allgemeinen versöhnt sich nicht auf Dauer mit Ungerechtigkeit. Eine Ordnung, die seine realen Pläne und Wünsche, Lebenserwartungen, z.B. auch Gerechtigkeitserwartungen, Hoffnung, Glücksversprechen nicht erfüllt, die ihn davon auszuschließen angetreten ist, wird er auf Dauer nicht ertragen.
Also, auch deshalb mag ich die Blogger-Geschichten und werde mich mehr als bisher mit der Materie befassenich.
a
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