Sonntag, 14. Juni 2009

Schills Geschichte lesenswert?

Gestern war Thomas Schill wieder da, sich eine Antwort abzuholen. Er musste sich zwar nicht bücken, um in die Wohnung zu gelangen, doch füllte er fast die Türöffnung aus.
Ich habe ihm dringend abgeraten, so etwas wie ein Internet-Bürgerzeitung zu beginnen. Sie wird kaum gelesen werden und macht vor allem unglaublich viel Arbeit - und das für nichts und wieder nichts.

"Was dann?", wollte er wissen.
"Weiß ich auch nicht. Mehr Leser hätte eine Klatschseite, doch dann hätten wir auch mehr mit Anwälten und vor Gericht zu tun. Warum wollen Sie überhaupt etwas schreiben?"
Er schaute mich herablassend an und antwortete: "Warum wohl? Weil ich eine Menge weiß."
"Zum Beispiel?"
"Wie Urlauber rumlaufen."
"Wen interessiert das?"
Schill lachte leise. "Mich. Setzen Sie sich mal eine halbe Stunde auf eine der Promenadenbänke und schauen Sie dem Treiben zu."
"Und das ist ein Grund? Schreiben Sie es doch für sich auf und behelligen Sie nicht die Menge, wobei sich fragt, wie klein die Menge sein wird."

Unvermittelt, als hätte er die Bettelei satt, fragte er mich: "Ist Journalist ein Traumberuf?"
"Nee, für mich nicht. Sonst würde ich es noch heute und weiterhin machen. Statt Nerven zerfetzenden Themen in aller Welt nachzujagen, schaffte ich es Lokalredakteur in die Wärmestube des Arbeitslosenverbandes. Das ist zwar fast, wie auf die Seychellen zu reisen, aber nur fast."
"Das kann doch interessant sein, wenn man die Augen aufmacht."
"Dann berichten Sie doch von dort im Winter. Auf der Insel gibt es doch gar keine Wärmestube."
Schill nickte. "Werde ich mir merken. Gute Idee, das mit der Wärmestube. Dann fahre ich eben nach Wolgast."
"Ihnen ist kein Weg zu weit für eine Geschichte, die niemanden interessiert?"
Schill neigte den Kopf ein wenig zur Seite und zugleich nach vorn. "Mmhhmm, bin ich niemand?"
Ich war ein wenig ungehalten. "So kommen wir nicht voran. Erzählen Sie mal, wie Urlauber rumlaufen.
Schill schaute zur Zimmerdecke, schlug mit der rechten Faust in seine linke Hand und sagte: "Ich habe eine", holte tief Luft, atmete kräftig aus und fing endlich an:

"Auf der Promenade schlenderte eine Frau in braunen Fellstiefeln, ein mattes Hellbraun, das der Stiefel, sehr vornehm, passend zum Fell ihres Hundes. Dennoch beging sie einen Stilbruch, denn das Halsband und die Leine waren aus glattem, schwarzem Leder.
Ein Mann in silberfarbener Bundjacke und schwarzer Hose ging auf sie zu. Offensichtlich waren sie einander schön öfter begegnet.
Er zu Ihr: Und wie gehts?
Sie: Gut.
Er: Und sonst so?
Sie: Sonst gehts gut.
Er: Und überhaupt?
Sie: Wie, überhaupt?
Er: Na, so generell.
Sie: Achso, ja, generell gut.
Er: Und wollen Sie nicht wissen, wie es mir so im Detail geht?
Sie: Bitte?
Er: Na, im Speziellen.
Sie: Oja, Wie gehts im Detail?
Er: Meinen Details geht es sehr unterschiedlich.
Sie: Welchen Details geht es denn besonders gut?
Er: Meinen Zähnen, besonders meinen Schneidezähnen. Keine Plombe, keine Karies. Vielleicht haben sie im Urlaub etwas zu viel Farbe abbekommen; war ja tolles Wetter. Aber sonst bestens."
Schill grinste mich an und fragte: "Können Sie sich vorstellen, dass was wurde aus den Beiden?"
"Generell oder im Detail?"
"Na, überhaupt."
"Ich glaube, im Detail mag es was geworden sein, weil beide unter Langeweile litten, generell wohl überhaupt nicht.
Aber nun mal im Ernst, wer soll denn so etwas gut finden und deshalb lesen wollen?"
Er zog die blassblonden Augenbrauen zugleich mit den Schultern hoch. "Meinen Sie nicht?"

"Ich werde meine Blogleser fragen", was ich hiermit getan habe.

Montag, 8. Juni 2009

Schill will Zeitung machen

Bei mir hat sich ein Heringsdorfer Vorruheständler gemeldet, klingelte und stand dann vor der Tür, 59, riesig, blond, großbäuchig.

Er möchte von mir schreiben lernen, schließlich hätte ich ja lange für die Inselrundschau gearbeitet; witzig, zweifle ich doch an jedem Tag an mir selbst. Doch er ließ sich nicht abweisen. Er wolle unbedingt ein Bürgerblatt gründen, nur im Internet, weil es nichts kosten dürfe und wohl auch nichts einbringen werde. Er wollte wissen, wie er einen Text beginnen und wie er ihn enden lassen muss. Ich fragte, ob er denn wisse, woher er Themen erhalte, bevor er sich über Anfang und Ende den Kopf zerbreche. Er winkte ab, davon habe er "reichlich im Koppe".

"Nur mit dem Schreiben hapert es", ergänzte er. Ich schlug ihm ein Treffen in einer Woche vor. Bis dahin würde ich es mir überlegen.
So, und nun sitze ich da und überlege, mit der reizvollen Aussicht auf Schreibarbeit und mit der reizlosen Aussicht, regelmäßig etwas abzuliefern, ohne etwas daran zu verdienen.

Wenn ich bedenke, mit welchem Wenig bis Nichts Leute Geld verdienen, ist die Idee
abschreckend. Andererseits hätte ich zusätzliches Tun, denn meine Schreibseminare sind schlecht besucht.

Was mache ich? Folge ich dem Vorschlag Thomas Schills? So heißt er und ich fragte und es
sollte witzig sein: "Ist vielleicht Ferdinand von Schill Verwandschaft?"
"Ich bin kein Von und weiß auch nicht, dass der von Schill Kinder gehabt hätte. Da isser wohl nicht zu gekommen."
Peng, das saß, und das ist der Grund, warum ich noch überlege und ihn nicht einfach seine
Webzeitung allein machen lasse.

 
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