Sonntag, 5. April 2009

Über das Begrüßen

Heute Vormittag hörte ich beim Rasieren im Radio, der tschechische Präsident habe Obama mit militärischen Ehren empfangen. Das ist natürlich keine Meldung, sondern ein Langweiler, denn es ist Tradition, wenn auch eine blödsinnige, Staatsoberhäupter so zu empfangen. Hätte der Ober-Tscheche den USA-Oberbonzen Obama mit einem Strauß Blumen und ohne alles militärische Getöse begrüßt, wäre das eine Spitzenmeldung gewesen, weil der Ober-Tscheche gegen das diplomatische Protokoll verstoßen hätte. Verkehrte Welt.

Eine Stunde später hörte ich im Radio die Übertragung eines Gottesdienstes als dem Greifswalder Dom. Der Dompfarrer erzählte, dass seine Mutter Besuchern zur Begrüßung stets einen Blumenstrauß ins Gästezimmer brachte. Ich stellte mir vor, was passiert wäre, hätte die Mutter sich ans diplomatische Protokoll gehalten. In Ermangelung von Soldaten hätte sie ihre Söhne nebeneinander vor den Hauseingang gereiht, den größeren mit einem Luftgewehr, den jüngeren mit einem Katapult in den Händen.

Das seit Wochen trainierte Handhaben der Waffen während des Gästeempfanges hätte fehlerfrei geklappt. Mit versteinerten Gesichtern hätten die Jungen dagestanden. Und die Gäste? Sie hätten möglicherweise gedacht, in einem Irrenhaus gelandet zu sein oder die Gastgeber machten sich einen bösen Scherz. Andere hätten darüber hinweggesehen oder wären sogar mir einer Grußerweisung - ausgestreckte Finger tippen an die Schläfe, nicht an die Stirn - vorübergeschritten.

Nunja, das ist nie passiert, der Junge wollte später Schwerter zu Pflugscharen schmieden; hat er zwar nie gemacht, aber er fand die Idee gut. Dazu sagte der Pfarrer leider nichts, auch nicht dazu, dass niemand anderer sich solcher Art als Schmied betätigt hätte.

Ist aber nicht auch der Empfang von Gästen in Hotels durch mitunter absurd Uniformierte ähnlich dem staatsmännischen Ritual?

Warum würde jemand als nicht ganz normal angesehen, der als Privatperson seine Gäste mit irgendwelchen militärischen Ehren empfänge und ein Staatsmann ebenfalls als nicht ganz zurechnungsfähig, der eine Staatsoberhaupt mit einem Blumenstrauß begrüßte. Ganz einfach, es ist der Sinn, der hinter dem militärischen Zeremoniell steckt:

Die symbolträchtigen Absichten eines Empfangs mit militärischen Ehren sind vor allem:

  • Repräsentation der staatlichen Souveränität gegenüber dem Gast (Aufzeigen staatlicher Handlungsfreiheit und -fähigkeit),
  • das Präsentieren der Waffen während des Abschreitens der Front ist eine Mischung aus Demonstration (ich bin bewaffnet) und Vorbringen der Waffe zur Überprüfung auf Munition (ich habe nicht geladen).
  • Erzielung eines guten Eindrucks beim Gast von der Disziplin und dem Ausbildungsstand der eigenen Streitkräfte (Protokolleinheiten werden daher meist besonderem Drill und harter Exerzierausbildung unterworfen)
Bleibt die Frage, warum dieser Quatsch weitergeführt wird, denn es wird auf der Welt eine Menge Geld ausgegeben, um militärische Einheiten zu keinem anderen Zweck als der Repräsentation zu unterhalten. Warum lassen sich die Völker das gefallen und warum finden so viele Menschen Gefallen an der steifbeinigen Herumsteherei und dem albernen Herumhantieren mit Gewehren? Ich weiß es nicht, ahne aber, dass es Glanz, Glitter und Pomp jeglicher Art sind, die die Massen beeindrucken, auch wenn unter den gewaltigen goldfarbenen Schulterstücken der Oberoffiziere schmale Schultern in den ordenbehangenen Uniformjacken stecken und unter den überladenen Mützen schwitzende Glatzen und darunter Gehirne, die auf Krieg sinnen.

Ich wünsche mir und allen Steuerzahlern dieser Welt, dass endlich diese alberne Schau des überflüssigen Brustherauskehrens, dieser sinnentleerten Gockelei, ein Ende hätte und Staatsoberhäupter ihresgleichen und jedermann mit bunten Blumensträußen begrüßten. Es müssten nicht die Blütenketten sein, die Hawaiianer ihren Gästen zur Begrüßung um den Hals legen, aber schön wäre es doch.

Dass wir das nicht erleben werden, zeigt, dass die Welt alles Mögliche ist, nur nicht friedlich und dass die einander empfangenen Staatsbonzen keineswegs Frieden im Sinn haben. Sie haben Krieg im Sinn - welcher Art auch immer - und sie wollen dies mit überflüssigem Pomp verdecken, tun damit aber das Gegenteil: Indem sie versuchen zu imponieren, weisen sie überdeutlich auf ihre Absichten hin.
 
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